Der HULOPO
100 Loch am Stück: Enthusiasmus, Leistungsbeweis, Golf-Euphorie – oder einfach nur Wahnsinn?
Dieser Frage gehen, pünktlich zur Sommersonnenwende am 21.6.2023, 11 Männer auf der wunderbaren Anlage unseres Clubs nach. Nur Männer? Nur Männer, für heute jedenfalls.
4.30 Uhr, auf dem Hundeparkplatz treffen die Fahrzeuge ein, gut gefüllt mit Nachschub an Essen, Trinken, Kleidung, Babypuder, Sonnenmilch und Pflaster. Nach der 9 soll immer „Tanken“ angesagt sein, hört man. Die Rookies stellen wichtige Fragen: Spielt man zweite Bälle? Natürlich nicht. Einsetzen an der vermuteten Verluststelle ist als Sonderegel erlaubt. Wie lang ist wohl Zeit für eine Runde? 2,5 Stunden, will man vor Sonnenuntergang wieder im Clubhaus sein. Wann geht’s los? Wenns hell ist, ruft jemand durch die fahle Morgendämmerung. Nehmen wir einen Schirm mit? Nein, es regnet heute nicht. Jedes Gramm, was zu tragen oder schieben ist, zählt.
Es ist 4.55 Uhr. Startzeit 5.00 Uhr. Was solls. Schnell wird noch ausgemacht, wer an der 10 und wer an der 1 startet, damit es keinen Stau gibt, und schon geht es los. Die ersten Abschläge zischen durch den noch nur zu ahnenden Tag. Wo ist mein Ball? Geradeaus losgeflogen, dann wird er wohl auf dem Fairway sein. Ich bin im einzigen Dreierflight, und der enthält alle Spielerprofile, die denkbar sind. Den Anfänger, der zum ersten Mal dabei ist (mich), den erfahrenen Gast, der eigens aus dem Fränkischen angereist ist, und den viel bewunderten ältesten Teilnehmer des Feldes, Klaus Bapp mit seinen nun 79 Jahren. Als wollte er beweisen, dass Alter kein Hindernis ist, wird er nicht nur als einziger von uns die Tasche tragen, sondern auch den ganzen Tag vorneweg sein. Ein Uhrwerk. Chapeau!
Wir kommen bis zur 4. Da rächt sich der zurückgelassene Schirm. Die Ersparnis vergeht in einem ergiebigen Regen. Dies ist keine Runde für Weicheier, das war vorherzusehen, also weiter, zügig gespielt – zwei Löcher später sind wir durchgeweicht. Kurzer Halt im Wald vor der 6. Der Regen lässt nach (oder auch nicht), nass werden wir stehend oder laufend, da können wir auch weiterspielen. Also hoffen wir auf die 9, einen Schirm und trockene Kleider.
Der Wechsel ist schnell ins Werk gesetzt, der Regen nur noch leicht erhöhte Luftfeuchtigkeit, es ist nun taghell. Zweimal entspannt um den Platz, nach allem, was zu erwarten ist, kommt jetzt der schönste Teil des Tages. Doch der Schein trügt. Bald beginnt der Regen erneut. Der Radar verspricht Dauerregen bis Mittag. Schnell ist die Strategie gefunden. Zweimal um den Platz, dann noch Loch 10, damits am Ende 100 sind und nicht nur 99, und dann zum Frühstück zurück in die Gastronomie. Dort die Trockenheit abwarten und dann wieder raus, trocken bis zum letzten Loch.
Das Frühstück ist ein Gedicht aus Ei mit Speck, Tomaten und Käse. Nahrhaft, aber leicht. Kaum bin ich zur Ruhe gekommen, heißt es: Weiter, der Tag ist kurz, die drei noch ausstehenden Runden aber lang. Zumal keine Stableford-Gnade das Zählspiel relativiert.
Der Nachmittag, sonnig oder bedeckt, bringt angenehmes Golfwetter. Die Runden dehnen sich, werden immer länger, mal schiebt der Spieler den Wagen, mal scheint der Wagen den Spieler zu stützen und vor dem Umfallen zu bewahren. Und immer wieder, einem Silberstreif am Horizont gleich, der leise Elektromotor eines Golfcarts mit Frau Holzer oder Herrn Schmugge an Bord. Sie bringen Obst, Getränke, süße Riegel, gute Laune, Ermutigung, machen Fotos. Anfangs von den Scorekarten, die schon einmal eingegeben werden, später von den Flights, die so gut es noch geht glücklich zu lächeln versuchen. Die vorletzte Runde ist hart, ich versuche, schon einmal rückwärts zu zählen. Noch sechsunddreißig Loch, noch fünfunddreißig. Ach was, das entmutigt ja mehr als es hilft. Also mehr oder weniger stumpf der Nase nach. Die Bälle fliegen gut. Ohne zu viel Gedanken ums Gelingen schlägt sichs unbefangen doch ganz munter Richtung Loch. Golf ist schön! Und dann: Die 18.
Sollte es wahr sein? Nur noch eine Runde. Es ist gegen 18 Uhr, die Nachmittagssonne vergoldet den Platz. Ist das schön! Und nun kommt die zweite Luft. Es geht im Spaziergang. An der 5 lässt ein Flight uns durchspielen, steht am Rand und applaudiert. Tour de France-Gefühle erfüllen uns. Auf der nächsten Bahn die Frage: Wieviel habt ihr noch? Letzte Runde! Sprechens voller Stolz. Nach der 9 werden zum letzten Mal neue Vorräte an Bord genommen. An der 13 Flightfoto und Riegel. Zu Beginn der 18 fragt Simon Schmugge, was wir am Grün trinken wollen. Am Grün etwas trinken? Das gabs für den Unerfahrenen ja noch nie. Hefeweizen! Ruft Klaus Bapp. Genau! Denkt der Rookie und sagts dann auch. Die untergehende Sonne – es ist inzwischen 21.10 – spielt sich durch die Gläser, die der Manager an den Rand des Grüns gestellt hat. Während ein Flightpartner schlägt, bemerke ich, dass ihm das so gut gefällt, dass er die Spieler durch die Gläser fotografiert und dazu vor dem Grün liegt. Wunderbar.
Grün getroffen, Bälle gelocht. Ein Prosit aufs Durchhalten. Das Bier ist verdient! Wir liegen uns glücklich in den Armen. Schmugge fotografierts. Geschafft.
Wir geben die Scorekarten ab, versorgen die Schläger. Ab unter die Dusche. Das Wasser zischt förmlich auf dem dampfenden Leib. Ein Hochgenuss. Frisch geduscht und ordentlich gekleidet gehts auf die Terrasse zum Essen. Wieder Mensch, Mensch mit neuer Geschichte, im Schweiße des Angesichts erworben.
Und nun? Noch vor dem Essen humpeln wir alle zum Gruppenbild, stützen einander freudig und lächeln. Befreite Helden nach getanem Werk.
Es gibt tatsächlich auch eine Siegerehrung, obwohl wir doch eigentlich alle Sieger sind, angekommen im olympischen Gedanken: Dabei sein ist alles. Mit 425 Schlägen gewinnt Nicolas Merz unser Turnier, dicht gefolgt von zwei Gästen: Werner Lukas und Tobias Gruber, beide vom New Golfclub Neu-Ulm.
Alle sind ausgelaugt, erschöpft, können kaum noch laufen und haben trotzdem nur einen Gedanken: Golf ist geil! Es ist wunderbar, vom Team unseres Clubs so verwöhnt worden zu sein und unter so tollen Menschen gespielt zu haben. Wars Wahnsinn? Ja, wahnsinnig schön.
Rainer Homburg